Wie kannst du andere überzeugen? Am besten verleihst du deinen Anfragen etwas Menschliches, meint Steve Martin, Faculty Director of Behavioural Science der Columbia Business School und CEO von Influence at Work. Aber wie geht das aus der Ferne?
Du möchtest eine Gehaltserhöhung aushandeln, einen Interessenten als Kunden gewinnen oder dein Netzwerk ausbauen? Gut, aber wie schaffst du es, deinen Anfragen und Interaktionen einen menschlichen Touch zu verpassen, um dein Gegenüber erfolgreich zu beeinflussen und zu überzeugen – auch und gerade in der virtuellen Welt, in der wir zurzeit Corona-bedingt arbeiten? Dazu stellen wir dir fünf Möglichkeiten vor, die auf neuesten Forschungen zum Thema „Überzeugung“ basieren.
1. Humor einstreuen
Als Forscher der Rutgers University den Tipp gaben, im Vorfeld von Online-Verhandlungen der anderen Seite einen witzigen Cartoon zu schicken (konkret einen Dilbert-Comicstrip), gingen sie davon aus, dass sich dies positiv auf das Vertrauensverhältnis zwischen den Verhandlungspartnern auswirken würde. Sie sollten recht behalten. Diejenigen, die sich die Zeit nahmen, den Online-Verhandlungen einen Schuss Humor zu verleihen, indem sie vorab den Cartoon sendeten, wurden als vertrauenswürdiger und sympathischer bewertet.. Außerdem zogen sie 15 % mehr Aufträge an Land als die Gruppen, die um das gleiche Geschäft verhandelt, aber keinen Cartoon verschickt haben.
„Humor ist der kürzeste Abstand zwischen zwei Menschen“, heißt es. Da es momentan nur wenig zu lachen gibt, könnten diejenigen, die sich gerade jetzt um etwas Humor bemühen, belohnt werden – indem sie andere besser überzeugen.
2. In Zoom zum Menschenfänger werden
Wer sich souverän auf dem gesellschaftlichen Parkett bewegt, weiß: Wie der Abend verlaufen wird, entscheidet sich in den Minuten, bevor die Gäste am Tisch Platz nehmen. Nicht zufällig steht in der Einladung: „Getränke 19:30 Uhr, Abendessen 20:00 Uhr“. In der virtuellen Welt scheint das keine Rolle mehr zu spielen. Statt eine unerbittliche Abfolge von Konferenzen immer zur vollen Stunde zu terminieren, könnte man es auch mal mit flexiblen Zeiten probieren. Plane die Konferenzen so, dass die Teilnehmer fünf bis zehn Minuten früher eintreffen und Zeit für einen Plausch haben.
Wenn wir die Möglichkeit haben, Erfahrungen auszutauschen und Gemeinsamkeiten festzustellen, bevor es ums Geschäftliche geht, können wir uns von unserer menschlichen Seite zeigen und so sympathischer erscheinen. So zeigen denn auch die neuesten Studien, wie eine sympathische Erscheinung insbesondere in der momentan von Videokommunikation geprägten Arbeitswelt eine deutliche Wirkung erzielen kann.
3. Andere frühzeitig nachahmen
Überzeugungsforscher haben in einer Reihe von Studien Überraschendes festgestellt: Kellner und Kellnerinnen, die ihre Kunden nachahmten, indem sie deren Worte bei der Bestellung wiederholten, erhielten zu 70 % mehr Trinkgeld. Warum? Diese Art der Nachahmung vermittelt ein stärkeres Gefühl von Nähe und gegenseitigem Verständnis. Diese Strategie hat sich in virtuellen Formaten als besonders wirksam erwiesen.
Eine wichtige Erkenntnis aus den Studien ist, dass das Angleichen der Sprachmuster umso effektiver ist, wenn es zu Beginn einer Videokonferenz erfolgt.
4. Zeit zurückgeben
Während der Pandemie durchgeführte Studien weisen auf die vermehrten Fälle von „Zoom-Müdigkeit“ hin, die vor allem gegen Ende des Tages auftreten. Wenn es voraussichtlich mehrere Konferenzen braucht, bis du die andere Person überzeugt hast, solltest du die Termine auf die frühen Stunden legen. Die Konferenzen sollten zudem kurz und knackig sein. Idealerweise nehmen sie auch nicht die ganze Zeit in Anspruch, die dafür geplant ist. Menschen wissen es zu schätzen, wenn man ihnen überraschenderweise etwas „Zeit zurückgibt“. Dies veranlasst sie möglicherweise dazu, dir bei künftigen Bitten oder Anfragen entgegenzukommen.
5. Zum Telefon greifen
Überzeugungsforscher weisen es schon seit Längerem nach: Die Wahrscheinlichkeit, dass sich jemand überzeugen lässt, wird gern unterschätzt. Eine Ausnahme gibt es jedoch, und zwar Anfragen per E-Mail. Durch die Pandemie hat sich das ohnehin bereits hohe Aufkommen von E-Mails, SMS und sonstigen Textnachrichten noch einmal verstärkt. Allerdings zeigen Studien auch, dass E-Mails zwischen 6- und 32-mal weniger effektiv sein können als direkte Anfragen. Daher wird empfohlen, gelegentlich auf „traditionelle“ Kommunikationsformen zurückzugreifen. Lass also bei deiner nächsten Aktion die Finger von der Tastatur und schau nicht auf den Bildschirm, sondern greif zum guten alten Telefon.
Steve Martin leitet die Fakultät für Verhaltenswissenschaften an der Columbia Business School (Exec. Ed.) und ist CEO von www.influenceatwork.co.uk. Er hat das Buch Messengers: Who We Listen To, Who We Don’t and Why und den millionenfach verkauften internationalen Bestseller Yes! Secrets from the Science of Persuasion geschrieben.